Raumduft
Phyto-Inhalation als olfaktorische Erfahrung
Autor: Frank Fuchs
Heilung durch Rauch, Duft und Atem.
Dämpfe aus wohlriechenden Kräutern und Hölzern spielen in vielen schamanistischen Riten und asiatischen Heilverfahren eine wichtige Rolle. So werden in der ayurvedischen Aromatherapie, der tibetischen, japanischen und chinesischen Naturheilkunde Heilpflanzen auf Holzkohle geräuchert oder als Räucherstäbchen entzündet. Die Raumluft wird manchmal bis zur Unerträglichkeit mit aromatischen Dämpfen gesättigt. Viele der Heil- und Duftpflanzen gelten als heilig und werden bestimmten Gottheiten zugewiesen. Indianer benutzen in ihren Schwitzzelt-Zeremonien ebenfalls Pflanzen zur Heilung oder spirituellen Weitsicht.
Erste Überlieferungen vom gemeinsamen Einatmen geräucherter Kräuter gibt es schon von den Hethitern um 1500 vor unserer Zeitrechnung. Von den Skythen, einem im Gebiet des heutigen Russland um die Zeitenwende lebenden Volk, gibt es Berichte, dass sie in Schwitzzelten Kräuter und besonders Hanf und dessen Samen räucherten.
Auch in der katholischen Kirche wird noch bis heute Weihrauch zu rituellen Zwecken eingesetzt. Katholische Kirchgänger haben mir erzählt, dass viele Gottesdienstbesucher entweder Probleme mit der weihrauchgeschwängerten Luft haben, so dass ihnen davon richtig übel wird, oder dass sie regelrecht und durchaus angenehm high davon werden.
Duftinseln im Freien.
Die Idee wurde uns von Georg Winter angetragen. In Singen (Baden-Württemberg) sollten im Rahmen der Landesgartenschau Kunstprojekte gefördert werden. Georg Winters Beitrag war ingeniös einfach und schlicht, aber mit einem Potential, das uns reizte. Georg, damals Dozent an der Uni Zürich, hatte den Plan für ein „Labor für Emergenz und Bildorganisation“. Dieses Labor sollte in einem speziell entwickelten Container in der Singener Fußgängerzone entstehen. Georg: „Beim BioAgit Labor wird es sich um Massenphänomene des Zeigens und Aufnehmens handeln. Das Terrain in Singen wird für diesen Zeitraum mit künstlerischen Positionen zusätzlich potenziert. Die Verbindung von Massenphänomenen mag berauschen und eine Überdosis mag zu visotoxischen Erscheinungen führen“.
Was hatte der Mann vor? Schlicht gesagt, es sollte in dem BioAgit Labor ein Anzucht- ein Blüten- und eine Trockenraum vorhanden sein, in denen Euphrasia- und Cannabispflänzchen angezüchtet, zur Blüte gebracht, und dann getrocknet („verdichtet“, lt. Winter) werden. Augentrost (Euphrasia) und Hanf (Cannabis Indica) wurden darauf in einem von Frank Fuchs entwickelten „AroMat“ vaporisiert und in die Außenluft der Fußgängerzone verblasen. Georg Winter: „Bei Cannabis Indica handelt es sich um Pflanzen, die wir auf Landesgartenschauen üblicherweise nicht antreffen, wohl weil eine potentielle Einwirkung auf die Wahrnehmung des Betrachters aufgrund der speziellen Inhaltsstoffe möglich ist….Entscheidend ist, dass durch die Konzeption des Versuchsaufbaus die Wirkung auf den Rezipienten in erster Linie von diesem selbst konstruiert wird, die subjektive Wirklichkeitsauffassung die Wirkung zu einer Erfindung macht“. Mit dieser Begründung und fleißiger Überzeugungsarbeit gab es tatsächlich eine Genehmigung zum Hanfanbau von der Bundesopiumstelle (eine Bundeshanfstelle gibt es nicht), und zum Vaporisieren von Hanf und Augentrost in die Fußgängerzone. Georgs Konzept sah ausdrücklich vor, nicht in der Hanfpresse über diesen sechsmonatigen Versuch zu schreiben. Andere Medien, Tageszeitungen wie Süddeutsche, BZ; MoPoHamburg, u.a. berichteten. Das Konzept gab ihm recht, ich weiß nicht, wie viele Pseudo-Hanf-Freunde nur zum Räubern nach Singen gepilgert wären…..So aber lief unser Labor-Versuch ganz im Stillen ab, die Schweizer Stecklinge verschiedenster Provenienzen konnten in Ruhe blühen und reifen. Der Rohholz-Container des Labors ist „jungfräulich“ geblieben, keine eingeschlagenen Fenster (und noch nicht mal ein Sprayer-Tag >>Maximum respect for respecting us!<<). Die täglichen Erlebnisse am Labor waren Grund zu reinster Freude. Je nach Windrichtung und -stärke waren die Aromen 50 Meter und weiter zu wahrzunehmen. Ich lernte zwei sehr nette Herren von der Schwäbischen Alb kennen, die ihre Enkel mehrmals „schnuppere“ ließen, und ihnen erfreut erklärten, dass Opa bis in die sechziger Jahre genau dieses wohlriechende Kraut mit „Hanfschein der Behörden“ angebaut hätte. Und die Hanfopas lobten den Wuchs des ehedem profitablen anzubauenden Krauts auf kärgsten Böden – ihre Ernte wurde übrigens zu Faser-Seil-Hanf verarbeitet. Schüler einer nahen Schule waren auch immer wieder beim Schnuppern zu beobachten, obwohl sie bald merkten (Experten??), dass aus dem AroMat Vaporizer durchaus keine antörnenden Dämpfe austraten. Die Heißluft zum Vaporizen war mit Bedacht so temperiert, dass das enthaltene THC im Kraut zurückblieb, nur die Aromadämpfe kamen in der Fußgängerzone an
.Die stimmungsaufhellende Wirkung von aromatischem Hanfdampf ohne THC-Gehalt kann seit diesem Versuch als erwiesen angesehen werden. So viele lächelnde Leute, sie lächelten auch noch als sie auf Schautafeln gelesen hatten, was da für ein „Teufelskraut“ zum Riechen kommt (Antwort einer Frau, die zuerst ganz erbost war, dass da was „Verbotenes“ großgezogen wird: „Duften tut’s besser als meine Balkonpflanzen“).
Georg Winter ist einen langen Weg durch die Institutionen gegangen, indem er beharrlich alle notwendigen und unsinnigen Auflagen der Zuständigen akribisch befolgte oder so beharrlich widerlegte, bis er tun konnte, was ihm vorschwebte. Das setzt er auch fort, z.B. 2001 bei der Veranstaltung „Parallelwelten“ der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin in Düsseldorf, wo er ebenfalls mit Frank Fuchs´ Equipment wohlriechende Düfte für das Publikum erzeugte. Auch mit Vorträgen über das BioAgit-Konzept ist er unterwegs. Das BioAgit-Labor ist eingelagert und harrt der Dinge, die da kommen.
Kunst ist, wenn die Sinne davon überrascht werden. Gruppen-Vaporisieren
Aus einem AroMat sind mehrere geworden, und die sind ständig im Einsatz. Nach dem großen Erfolg in Singen hätten wir ihn gerne auf der CannaBusiness 2000 mit den gleichen Kräutern vorgeführt. Das war der damaligen Leitung wohl nicht so recht. Wir haben dann die Halle mit Muskatellersalbei-Aroma „behandelt“. Außer Aromatherapie-Erfahrenen hat’s kaum einer (bewusst) gemerkt. Aber der stimmungsaufhellende Duft des Muskatellersalbeis hat auch unbewusst viele fröhliche Gesichter gezaubert (Danke Gudrun von „Bakul“!). Dies ist Sinn unseres Raumdufts: keine aufdringliche „Parfümwolke“ in die Räume zu legen, sondern unterschwellig (nach Winter) verbesserte Rahmenbedingungen und ein spirituell aufgeschlossenes Klima zu schaffen. Wer ein Konzert der „Hodschas“, einer griechisch-türkischen Kaffeehaus-Band, besucht, wird nicht nur hören, sondern auch riechen. Die Hodschas haben ihren eigenen Duft aus Zimtrinde und Koriander, der von Anfang an die Zuhörer in die passende Stimmung versetzt.
Neue Dimensionen durften wir im Liquid-Sound-Therme in Bad Sulza erfahren: in warmen Salzwasserbecken badet man in Musik. Unterwasserlautsprecher erzeugen eine betörende Mischung von Sinneseindrücken, die dem Zuhörer Musik als im Wasser schwebendes Erleben darbieten. Eine einmonatige Ausstellung „Klang, Duft, Licht“ (Licht: Bernhard Bauer, Klänge: Der Spyra) fand dort großen Zuspruch, besonders weil die Besucher an der „Bar des Wohlbefindens“ den Raumduft noch individuell am AroMed Vaporizer verstärken durften (Überschrift einer Kritik in der „Thüringischen Allgemeinen Zeitung“: „Kiffen gegen Kopfschmerz“). Auftritte bei Vollmondkonzerten mit namhaften DJs (moveD, mojo club, Flash Goerdten) in der Liquid-Sound-Therme folgten. Auch die E-Musik wurde olfaktorisch behandelt. Für „Baroque under water“ im Liquid-Sound-Tempel gab’s Rosendüfte.
Mein intensivstes musikalisches Erlebnis in Verbindung mit Düften war der Auftritt eines riesigen „Odemophon-Orchesters“. Odemophon ist der Überbegriff für Zirkular-Atmungs-Blasrohre wie Didgeridoo (eingeborenen-australisch), Dord (keltisch-irisch) oder Fujara (japanisch). Für jemanden, der nicht dabei war, ist es unvorstellbar, welche emotionalen Tore von 100 Odemophon-Spielern geöffnet werden. Ein intensiver Eukalyptusduft verstärkte den „Australischen Outback-Charakter“ des Empfindens, die etwa 400 anwesenden Zuhörer von 10 bis 80 verschmolzen mit den Tönen der Musiker. Der Abend endete entspannt mit Agarholzduft und einem heißen Solbad in der Liquid-Sound-Therme……
The Real Monty. An Evening with Howard Marks
Howard Marks: A pity Frank only joined us for some gigs; we should have made the whole tour with his fumigation. Though you had only this faint smell, the presence of wonderful hemp fragrance did make everyone open-minded.
Auf Howards letzter Deutschland-Tour erzählte ich ihm von Aromatischen Räumen und Duftinseln. Seine einzige Frage: „can we do it with the real monty like in Singen (kann man das mit dem richtigen Zeug wie in Singen machen)?“…Also machten wir… Wir erlebten eine Tour mit Jive im wahrsten Sinn des Wortes. Britain im Dezember 2001 ist nicht das Land, in dem die Joints erglühen. Der erste Holland-ähnliche CoffeeShop vor den Toren Manchesters war gerade behördlich geschlossen worden. Und das Publikum, offensichtlich ein Großteil Kiffer, wagte nicht, wie ich auf Howards Deutschland-Tour öfter mal sehen konnte, das Outing des öffentlichen Bekennerrauchens: Keine selbstgedrehte Zigarette aus dem Publikum für Howard. Dafür roch es während Howards Vortrag -ein Mammut-Gig, zwei mal ca. 1 Stunde, danach noch Publikumsfragen beantworten- angenehm nach dem Kraut, dessen Schmuggelstories er erzählte….Natürlich wurde wie in Singen kein THC in die Lüfte geblasen, sondern nur die Aroma-Essenz von Hanfblüten (THC-Gehalt lt. untersuchendem Labor: 100mg/kg!). Viele nette Menschen waren dennoch immer wieder auf der Suche nach dem Grow-Room….
Dufterinnerungen können Placebo-Effekte auslösen. Wenn ich dies auch schon lange geahnt hatte, spätestens nach den Abenden mit Howard Marks bin ich überzeugt davon!